21. Februar 1949, Karlsruhe

Emil Behr an General Lucius D. Clay, Gouverneur

zur Abbildung wechseln zur Transkription wechseln
Seite 1 - Brief an den Militärgouverneur der Besatzungszone, auf Schreibmaschine getippt 4 Seiten Din A 4, links oben Abdruck von Klammer, Durchschlagspapier, sehr dünn Seite 2 - Brief an den Militärgouverneur der Besatzungszone, auf Schreibmaschine getippt 4 Seiten Din A 4, links oben Abdruck von Klammer, Durchschlagspapier, sehr dünn Seite 3 - Brief an den Militärgouverneur der Besatzungszone, auf Schreibmaschine getippt 4 Seiten Din A 4, links oben Abdruck von Klammer, Durchschlagspapier, sehr dünn Seite 4 - Brief an den Militärgouverneur der Besatzungszone, auf Schreibmaschine getippt 4 Seiten Din A 4, links oben Abdruck von Klammer, Durchschlagspapier, sehr dünn

Auf Schreibmaschine getippt 4 Seiten Din A 4, links oben Abdruck von Klammer, Durchschlagspapier, sehr dünn

Emil Behr, 21.Februar 1949
Karlsruhe-Durlach
Bergwaldstr. 17
Tel.:     598


Herrn
General Lucius D. Clay
Hauptquartier der US-Armee,
Frankfurt / Main

Sehr geehrter Herr General !
Ihre sehr bemerkenswerte Äusserung in der Pressekonferenz vom15.2.1949 in Frankfurt am Main über antisemitische Bemerkungen ermutigt mich, Ihnen meinen eigenen Fall vorzutragen. Ich bin als Volljude am 27.Juni 1900 in Leimersheim(Pfalz) geboren, gelernter Schlosser und war während des Dritten Reiches als Häftlinge in den Konzentrationslagern Dachau, Auschwitz, Mauthausen und Gusen. Ich trage die Vergasungs-Nummer 188532. Im Jahre 1946 wohnte ich in Durlach, Steinlesweg Nr. 2 und hatte 5 Zimmer, 1 Küche und 1 Mansarde inne. Obwohl meine Sache für mich recht tragisch ist, will ich bestrebt sein, mich möglichst kurz zu fassen. Gegen Mitte Dezember 1946 erhielt ich die Nachricht, daß meine Wohnung am 15.Dezember mittags um 12 Uhr zugunsten der amerikanischen Einheit FIAT zu räumen sei. Durch verschiedene Rückfragen bei allen möglichen Stellen wurde ich zuletzt an Herrn Major Davis bei der FIAT verwiesen. Am 14. oder 15. Dezember gegen halb zwölf Uhr sprach ich bei diesem Herrn vor und gab alle möglichen Auskünf-te über meine Person und die Lage des Falles. Leider hatte sich der Herr Major vorher stets verleugnen lassen. Ich erlaubte mir, auf die Anordnung des Herrn General Mc. Narney hinzuweisen, wonach ichals politisch und rassisch Verfolgter erst auszuzihen habe, wenn mir eine gleichwertige Wohnung nachgewiesen wird, und daß mir das Recht zustehen würde, meine Möbel und Einrichtungsgegenstände mitzunehmen.
Am 23.Dezember wurde mir eine Wohnung zugeteilt, die einem Juden oder Mischling gehörte, der aber nicht auszog. Ich bitte zu beachten, daß man rassisch Verfolgte ihrer Wohnung berauben wollte,
(Seitenende)
(neue Seite)
während es in Durlach genug Wohnungen von Aktivisten der Partei gab. Am ersten Weihnachtsfeiertag kam Herr Major Davis und erklärte mir, daß ich in die Bergwaldstraße 7 einziehen könne. Auf mein Ersuchen gab er mir eine Bescheinigung, die mich berechtigte, meine Möbel mitzunehmen. Am zweiten Weihnachtsfeiertag mittags um 12 Uhr kam ein anderer Major und erklärte mir, daß ich innerhalb einer Stunde meine Wohnung räumen müsse. Auf meinen Einwand, daß dies nicht möglich sei, erklärte er mir, das hätte damit nichts zu tun, ich müsse raus, Ich habe daraufhin meine Wäsche und Kleider am zweiten Weihnachtsfeiertag mit dem Handwagen in die mir zuge- wiesene Wohnung verbracht. Ich bestellte sofort einen Spediteur, der tags drauf morgens um 6 Uhr kam. Als ich einen Möbelwagen geladen und abtransport hatte, und der zweite Möbelwagen voll beladen war, erschien der tags zuvor dagewesene Major und schrie mich heftig an, inbesondere, wie ich dazu käme, meine Möbel aus der Wohnung herauszunehmen. Darauf zeigte ich ihm die Bescheinigung des Herrn Major Davis, die dieser eigenhändig unterschrieben hatte, wonach ich meine Möbel herausnehmen dürfe. Der Herr Major behielt die Bescheinigung und holte Herrn Major Davis. Herr Major Davis nahm die Bescheinigung an sich und erklärte, daß die Möbel wieder in das Haus zurückgebracht werden müßten und fragte mich, wie ich dazu käme, die Möbel mitzunehmen. Ich wies auf seine Bescheinigung hin, die er nochmals anschaute und stillschweigend in die Tasche steckte. Nach eine Diskusion, bei der ich erklärte daß ich wohl der einzigste Mensch in Baden sei, der die Vergasungsnummer auf dem Arm trüge, und daß man mit mir nicht so verfahren könne, erklärte er mir, er verstände, daß ich aufgeregt sei, aber nach einer Minute, dann sei er auch aufgeregt und schlüge mich nieder. Nachdem meine Nerven in den Konzentrationslagern stark ge-litten haben und ich in Anbetracht des krassen Falles war ich natürlich sehr aufgeregt. Nach diesem Vorfall liess ich Herrn Major Davis stehen und sagte, daß ich den Möbelwagen nicht ausladen werde, er könne tun und lassen, was er wolle und ging in meine neue Wohnung. Gegen Abend kamen nochmal zwei Amerikaner von der Fiat und wollten die schon in die neue Wohnung verbrachten Möbel wieder zurückneh-men, unter anderem auch Teppiche und Radio, was ich aber strikte verweigerte und erklärte, daß ich lieber das ganze Zeug in Brand
(Seitenende)
(neue Seite)
stecken werde, als zurückzugeben. Darauf habe ich nichtsmehr von dieser Angelegenheit gehört. Als ich nach einiger Zeit nach meinen Möbeln gesehen habe, mußte ich feststellen, daß der größte Teil z.B. Teile des Speisezimmers, wie Buffet, Ausziehtisch, 4 lederbezogene Stühle, ein Spiegelschrank, zwei weiße Schränke, Schreibtisch und ein Gasherd nicht mehr in meiner Wohnung waren. Über den Verbleib dieser Gegenstände kann ich nichts aussagen. Meine neue Wohnung, Bergwaldstr. 7 gehört einem Parteimitglied namens Wihlhelm Bühler sen., der zu seiner Tochter, Durlach  Hengstplatz 3 umzog. Am 17. Oktober 1947 wurde mir von dem Rechtsanwalt Dr. G. Kämmerer, Durlach eine Räumungsklage zugestellt. Es wurde behauptet, daß die Wohnung zu meinen Gunsten gar nicht beschlagnahmt worden sei, auch wurden menschliche Gründe in Bezug auf das Alter des Bühler angegeben. Diese menschlichen Gründe mußte ich in den Konzentrationslagern leider vermissen. Ich hatt große Mühe, die Räumung abzuwenden. Um einen neuen Prozess zu vermeiden, und da die Möbel Herrn Bühler gehören, habe ich am 15. Februar 1949 diese dem Eigentümer herausgegeben und sitze nun seit diesem Tage in leeren Zimmer. Nachdem nun der größte Teil meiner Möbel verschwunden ist, habe ich Ersatz beim Besatzungskostenamt in Höhe von DM 8.042.00 verlangt, wobei ich die einzelnen Stücke einschl. Preis angegeben habe.In seinem Schreiben vom 16. Februar 1949 teilt das Besatzungskostenamt folgendes mit:
“Über die Behandlung und Vergütung der Mobiliar-Nutzungs-Entschädigung liegt eine amerikanische Anordnung vor, in der genau das Verfahren, sowie die Vergütungssätze festgelegt sind, Eine Vergütung ist uns deshalb nur im Rahmen der amerikanischen Anordnung vom 11.13.1948, die (hochgestellt) im Auftrag von General Clay vom Stabschef-Generalleutnant Huebner – erlassen wurde und den deutschen Dienststellen mit dem Vermerk: “Von den deutschen Dienststellen einzuhaltendes Verfahren hinsichtlich der Mieten und der Verfügung über beschlagnahmtes Eigentum“ übergeben wurde, möglich.“ Das Besatzungskostenamt bietet mir mithin eine Mietvergütung für meine Möbel an. Nachdem aber meine Möbel im Gegensatz zu den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen der Militärregierung beschlagnahmt wurden, und die Möbel verschwunden sind, habe ich Anspruch
(Seitenende)
(neue Seite)
auf den vollen Schaden, der mir entstanden ist, und zwar zu Wiederbeschaffungspreisen. Ich bin mir dessen bewußt, daß ich im Interesse der Besatzung bei militärischen Belangen zurücktreten muß, aber ich bitte den Herrn General zu prüfen, ob solche Belange überhaupt vorlagen und ob nicht gewiss antisemitische Kräfte wirksam waren. Für eine wohlwollende Behandlung meiner Sache wäre ich dem Herrn General sehr dankbar, da für mich der Glaube an eine Gerechtigkeit der demokratischen Regierungen davon abhängt.

Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst(Handschriftlich blau Unterschrift Emil Behr)

NB. Ich gestatte mir, noch zu bemerken, daß meine Eltern
seit 1947 die amerikanischen Staatsangehörigkeit besitzen.
D.O.

In der obigen Sache habe ich mich im Laufe der Verhandlungen
an folgende Stellen gewandt und zwar leider ohne Erfolg:

  1.  Military Community – Karlsruhe, Attn:   Maj. MACCRADY
  2. Commanding General of the US-Occupational Forces
  3. General Mc. Narney, Frankfurt am Main
  4. Headquarter US Forces, Europan Theater
  5. Mr. Larry L. Wolff, Nürnberg, Justizpalast
  6. Jüdische Gemeinde, Karlsruhe
  7. Präsident des Landesbezirkes Baden, Amt für Wiedergutmachung
  8. Militärregierung Karlsruhe
  9. Städt. Wohnungsamt, Karlsruhe, Baumeisterstr. 2
  10. Dr. Arthur Strauss, Oberreg. Heidelberg, Unt. Neckargasse 1
  11. Adolf Rögner, München 2 BS, Schliessfach 34
  12. Besatzungskostenamt, Karlsruhe